Interview mit Fa. Scharf, Omnibus & Reisebüro OHG
- Bulli-proof
- 8. März
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 9. März
Eine Familiengeschichte auf 4 Rädern

Tauchen wir doch mal ein in die Familiengeschichte der Firma Scharf Omnibus & Reisebüro OHG, ansässig im beschaulichen Ort Frauenberg bei Erding.
2024 hatte ich das Vergnügen, mich mit Herrn Martin Scharf auf ein Interview zu treffen und mich darüberhinaus am „Tag der offenen Tür“ mit Herrn Andreas Scharf zu unterhalten.
Familiengeschichten von früher anzuhören und mir dabei vorzustellen, wie eine erfolgreiche Geschichte bei null beginnt, das ist so richtig spannend. Bei diesem Interview sprachen wir über die Dekaden und wie sich ein kleines Familienunternehmen zu einem florierenden Betrieb entwickeln kann – nämlich mit viel Enthusiasmus, Fleiß und viel Sinn für Werte.

Aber lies selbst … jetzt geht´s los:
"Wir schreiben das Jahr 1930, als der Großvater das Unternehmen gründete", beginnt Martin Scharf zu erzählen.
„In der Vorkriegszeit besaß er bereits zwei Omnibusse und wahrscheinlich auch zwei LKWs, aber das weiß ich nicht mehr so genau“, fährt er fort.
Martin Scharf ist einer der Geschäftsführer des Unternehmens, welches er gemeinsam mit seinem Bruder Andreas leitet. Und schon lausche ich den Geschichten aus der Unternehmenshistorie ...
Das LILA PFERD!
"Der Großvater hörte damals etwas im Radio", erzählt er weiter, "etwas für uns heute sehr Spannendes - nämlich ein Codewort namens: Lila Pferd."
Sobald dieses Codewort über das Radio erklang, bedeutete dies das unverzügliche Einrücken im hiesigen Fliegerhorst Erding:
ein Mann mit seinem Bus,
ein LKW und sein Fahrer.
Die Fahrzeuge wurden eingezogen und für den Kriegsdienst eingesetzt.
Das „Heiligste“ des Busfahrers - eine kleine Anekdote
Ein Bus ist für seinen Fahrer ein wahres „Heiligtum“. Er wird gehegt und gepflegt.
Doch dann kam der Tag X, an dem die Zukunft des Busses neu geschrieben wurde. Er musste Kriegsdienst leisten und "einrücken."
Bevor das passierte, musste eine Umlackierung stattfinden. Und wenn ein Bus ohne Vorwarnung in Nato-Oliv umlackiert wurde, konnte das den Fahrer zur Weißglut bringen. Martin Scharf erzählt lachend, dass so mancher Lackierer eine „gesteckt bekam“, also auf gut Bayrisch eine „Watschn“ erhielt, wenn der Fahrer plötzlich seinen ehemals stolzen Bus in Tarnfarbe wiederfand.

Diese direkte, non-verbale Aktion hatte dann auch Folgen: dem rabiaten Fahrer wurde der Bus genommen und ein anderer Fahrer wurde eingesetzt.
Zeitzeuge sei Dank
Zufälle gibt es bekanntlich nicht und mancher Kreis schließt sich später wieder. So geschah es Jahrzehnte später, im Jahre 1994, dass nicht nur der erste Teil des Betriebshofs eröffnet wurde, sondern auch ein ganz besonderer Gast erwartet wurde.
Es war genau jener Mann aus Erding, der damals als Fahrer des beschlagnahmten Busses bestimmt wurde. Mittlerweile war er schon um die 80 Jahre alt.
„Es war sehr interessant, Jahrzehnte später diesen Herrn zu treffen. Er hatte glücklicherweise noch Fotos aus der Kriegszeit und erzählte uns die Geschichte unseres Busses."
"Er zeigte uns, wo unser Bus unterwegs war, dass er zuerst Richtung Russland und anschließend nach Jugoslawien fahren musste. Bei Sarajevo wurde der Bus dann leider zerstört. Übrigens war unser Bus auch an der Front im Einsatz, um die Fronturlauber zu shutteln“, berichtet Martin Scharf.
Die Fotos hängen heute vergrößert im Schulungsraum und sind Teil einer ausführlichen Bilderchronik.

„Schwein gehabt“ – oder Not macht erfinderisch
Nach 1945 herrschte Mangel an allem: die Hälfte der Wohnflächen nebst Brücken waren zerstört, die Verkehrswege kaum nutzbar. Dazu noch mehrere Millionen Flüchtlinge und Kriegsheimkehrer.
Das Ausmaß der Notlage war nicht gleich ersichtlich, denn im ersten Nachkriegsjahr war das Wirtschaftspotenzial tatsächlich noch auf dem Niveau „Existenzminimum“.
Bis zum Ende von 1946 reichten die geretteten Vorräte und Rohstoffe aus der Kriegszeit für eine ganz bescheidene Produktion noch aus.
Katastrophal wurde jedoch der harte Winter von 1946 auf 1947.
Die Versorgung der Menschen gestaltete sich als sehr schwierig. Die drei lebenswichtigen Säulen wie Ernährung, Energieversorgung und Verkehr brachen komplett zusammen, die Menschen hatten keinen Zugang mehr zu Wasser, Gas oder Strom.
„Die Versorgungslage war miserabel, der Transportsektor lag am Boden und in der Landwirtschaft ging auch nicht viel“, schildert Martin Scharf.
Nur das Eingreifen der Besatzungsmächte wie Großbritannien, und vor allem den USA verhinderten das Ärgste.
„Nach dem Krieg“, erklärt er weiter, „war es auf Beschluss der amerikanischen Besatzung genehmigt, dass man die im Graben liegen gebliebenen LKWs oder Fahrzeuge bergen durfte, quasi als Wiedergutmachung.
Diese wurden dann flott gemacht und man konnte mit den Fahrzeugen wieder weiterarbeiten. Das hat der Großvater auch so getan.“
Wir reden hier übrigens von der Zeit der Essensmarken, vom Tauschhandel, vom Schwarzmarkt, der mit Kriegsende und den 1. Nachkriegsjahren regelrecht explodierte.
Aus der Not heraus begannen die Menschen zu hamstern, zu kompensieren, zu organisieren. Man musste irgendwie durchkommen.
„Der Opa war ein ganz findiger,“ verrät Martin Scharf verschmitzt, "so wie viele Menschen damals. Er hat heimlich hinten ein paar Schweinder´l gezüchtet und sie nachts im Wald geschlachtet, um ja nicht erwischt zu werden. Er tauschte das Fleisch anschliessend gegen Material wie Farbe, Lack und Reifen ein oder was auch immer nötig war. Das Tauschgut brachte er zur Firma Kässbohrer nach Ulm - einem innovativen Pionier im Fahrzeugbau - und konnte sich 1949 seinen ersten Bus bauen lassen."
Schicksalsschläge und Neuanfänge
1971 übergab der Großvater das Unternehmen an seinen ältesten Sohn Max. Doch nur ein Jahr später, 1972 geschah ein furchtbares Unglück:
Max und seine Frau Anna Scharf kamen während einer Verbandsreise der bayerischen Omnibusunternehmer ums Leben. Das Ziel der Gäste, alles Busunternehmer aus Bayern, war Teneriffa, um dort eine Kreuzfahrt zu machen. Den Rückflug sollten aber alle 136 Personen nicht überleben, so auch der Onkel und die Tante.
Dieses Unglück bedeutete für all diese Busunternehmer-Familien in ganz Bayern ein Riesenproblem.
Und im Hause Scharf verlor der sechsjährige Sohn von Max und seiner Frau ganz plötzlich seine Eltern. Er, der nicht mitgeflogen war, wurde Vollwaise und Alleinerbe. Welch ein Familiendrama.
Schließlich konnte der Vater, Hans Scharf, das Unternehmen kaufen und erfolgreich weiterführen.
„Die Zeiten nach der Betriebsübernahme von Hans Scharf waren wahrlich nicht leicht“, resümiert Martin Scharf.
„Der Kauf des Betriebs mit dem relativ hohen Durchschnittsalter der Busse und dann noch nach einem Jahr die Pleite des größten Auftraggebers ... von sieben Bussen waren fünf arbeitslos!“
Mit dem jedoch fast übermenschlichem Einsatz von Hans Scharf, sowie seinen Mitarbeitern wie Alois Gruber unter anderem, konnte die Familie auch diese Zeit überbrücken.
Bereits im Jahr 1976 legte das Unternehmen das erste Reiseprogramm auf und kümmerte sich um Aufträge von Buseinsätzen aller Art. Durch diesen unermüdlichen Einsatz wuchs das Unternehmen bis Ende der 80er Jahre auf eine Fuhrparkgröße von ca. 20 Bussen an.
Wachstum und Moderne
In den 1990er Jahren traten die vier Kinder auf unterschiedliche Weise ins Unternehmen ein.
„1993 begannen wir in Fraunberg zu bauen, weil es in Maria Thalheim erstens nur sieben Garagen gab und die dann zweitens aus den 50er Jahren stammten.“
Sprich: die Garagen reichten nicht mehr aus und waren zu niedrig für die neueren Busmodelle.
„Gerade in der Zeit der Flughafeneröffnung war es unternehmerisch logisch, am Aufschwung teilzunehmen und unsere Familie beschloss, in den Hof entsprechend zu investieren“, berichtet Martin Scharf.
Schrittweise arbeitete sich die Familie vor, die beiden ältesten Geschwister orientierten sich beruflich extern und so übernahmen Martin und Andreas Scharf, beide mit technischer Ausbildung, letztendlich das Familienunternehmen.
„Und so läuft es, wie es jetzt ist“, so das Fazit von Martin Scharf und mittlerweile reden wir von zwei Reisebüros, eben in Fraunberg bei Erding sowie am Flughafen München.

Heute vereint das Unternehmen vier Sparten:
Mietbusse: für private Gruppen wie Geburtstagsgesellschaften, geschäftliche Gruppen wie Firmenausflüge, dem Transport zum Flughafen, für Schülergruppen und deren Tagesausfluge.
Eventfahrzeuge, wie der Oldtimer oder der Fan-Bus, auch genannt der Party Bus.

Der Party-oder Fan-Bus ist technisch so ausgestattet, dass er mit integriertem Meeting-Point auch als „mobile Office“ unterwegs nutzbar ist, mit Food & Beverage, falls gewünscht.
Ein echter Hingucker und da möchte ich persönlich nur noch bei Dunkelheit fahren, denn der Sternenhimmel kann wie eine Aurora in den verschiedensten Farben strahlen.

die Touristik Katalogreisen für Einzel- und Gruppenbuchungen,
der Schulbusverkehr,
der Stadtverkehr mit klassischem ÖPNV, sowie Firmentransporte wie BMW, oder der MVV-Linienverkehr (Münchner Verkehrsverbund).
„Es gibt nichts, was wir nicht anbieten, außer dem Fernliniensystem Flixbus. Bei uns gibts vom 7-Sitzer VIP-Van als Elektrofahrzeug, bis hin zum Doppeldecker 80-Sitzplätze, Reisebus, Midibus, 20-Sitzer, 30-Sitz-Sitzer und so weiter“ zählt Martin Scharf stolz auf.

Die Ausbildung beim Scharf Omnibus-Unternehmen

Vier Ausbildungsberufe werden angeboten:
das klassische Büro-Management,
die Fachkraft im Fahrbetrieb, sprich die Omnibusfahrer,
KFZ-Mechatroniker, mit dem Schwerpunkt Nutzfahrzeuge,
die klassische Touristik-Reisebüro Ausbildung.
Und wo kann sich ein junger Mensch am besten einen Eindruck machen über lokale Arbeitgeber? Natürlich an einem Recruiting Tag wie auch hier in Fraunberg bei Familie Scharf.
Recruiting live - der Tag der offenen Tür bei Scharfs
Hauptthema am „Tag der offenen Tür“ ist es, die Lehrberufe vorzustellen und einen Einblick in das Unternehmen zu geben inklusive eines Rundgangs über das Firmengelände.

Mit E-Omnibussen in Erdings Zukunft

Das Unternehmen Scharf betreibt schon seit einigen Jahren erfolgreich eine E-Bus Flotte, die Ende 2024 um weitere 13 E-Omnibusse vergrößert wurde.
Die Anlieferung einer neuen Flotte erfolgt übrigens nicht an einem Tag, sondern die Fahrzeuge werden schrittweise integriert. Erst wenn Folierung, Beklebung, Aufrüstung von Fahrscheindruckern und sonstigen Kleinigkeiten erfolgt sind, kommen die Fahrzeuge zum Einsatz.
Sind wir schon am Ende der Geschichte?
Nein, ein Ende gibt es in diesem besonderen Falle nicht, denn über ein weiteres Highlight meines Interviews spreche ich im folgenden Blogbeitrag noch ausführlicher. Also, sei gespannt.
Ein dickes Danke schön geht an dieser Stelle an Herrn Martin Scharf für das sehr ausführliche Gespräch und die Zusammenarbeit. Sein „Baby“, wie er es liebevoll nennt, stelle ich in Kürze in einem weiteren Blogbeitrag vor.
A bisser´l was siehst Du schon auf dem Foto anhand der Sitze in bordeaux-rot ;-) welche eine bestimmte Epoche bedeuten. Stay tuned…es grüßt Trixi alias Bulli-Proof.


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