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Der Monat Mai und das "organisierte Verbrechen"

Aktualisiert: 29. Mai 2023


Alles neu macht der Mai und kommt pünktlich zum 1. Tag des Monats mit einem sehr zünftigem Brauchtum - dem "organisierten Stibitzen".


Tatort? Die Nachbardörfer :-)

Tatzeit? Mitten in der Nacht

Täter? Gewitzte Burschen mit schwerem Gerät

Objekt der Begierde? Der niegal-nagel-neue Maibaum der Nachbargemeinde


Und schon sind wir mitten im Brauchtum.

Brauchen wir denn Bräuche? Ich sage ja...

und die sind selten geklaut, sondern haben sich entwickelt.


Ein schöner Frühlingsbrauch - der Maibaum
Brauchtum - Ausdruck von Tradition

Was versteht man denn unter Brauchtum?


In den 194 Staaten unseres Globus gibt es eine Vielzahl an Kulturen, Festen und damit auch Bräuchen mit den unterschiedlichsten Hintergründen.


Es sind Rituale, die an religiösen und weltlichen Festen angelehnt sind. Sie leiten uns durch die Jahre und bestimmen unseren Terminplan:

wie Weihnachten oder Sylvester, Hochzeiten, Taufen, Bestattungen und und und.


Wir geniessen den Brauch, um unser Gefühl für Gemeinschaft zu stärken und zu bekräftigen. Gemeinsam sitzen, feiern, sich austauschen...


Brauchtum sorgt in unserem Leben für Regelmäßigkeit und Struktur, steht auch für Ende und Anfang.


Und damit leite ich gleich über zu einem Brauchtum, das für Neubeginn und Fruchtbarkeit steht - das Aufstellen eines Maibaums.


Der Ursprung des Maibaums

Er ist ungeklärt und umstritten, seine Herkunft entspringt wohl germanischen Riten und deren verehrten Waldgottheiten. Dann vermischte sich heidnisches Brauchtum mit christlichem und seit dem 16. Jhdt. ist der Maibaum in heutiger Form schriftlich überliefert.


Wie lange ein Maibaum im Dorf stehen bleibt ist wiederum traditionell verankert, evtl. steht er 4 Wochen oder auch bis zum Herbst, um abgeschmückt ins Winterlager zu gehen.

Beim Maibaum aufstellen in Erding

2 Jahre Pandemie sind mittlerweile vorbei und wir schrieben den 1. Mai 2022 - endlich wieder ein Maibaum-Aufstellen im oberbayrischen Erding.


Das Erdinger Weißbräu

Was haben sie sich alle gefreut: die beteiligten Vereine und Musikanten, in Tracht gekleidete Besucher und Akteure, Würstelverkäufer, Kuchenbäcker und Kaffeekocher, das 1. Freiluft-Event in der Stadt nach Corona. Alles fühlt sich wieder frei an, wir durften wieder gemeinsam ein Stadtfest feiern.


Maibaum-Aufstellung in Erding

Je nach Region geschieht das Aufstellen durch die pure Muskelkraft der örtlichen Burschenschaft, unterstützt von Seilen und Stützbalken. Dazu nimmt man sogenannten"Schwaiberl", zu deutsch Schwalben oder auch Scherstangen.


Die jungen und auch junggebliebenen Manns´ leut arbeiten sich dabei in regelmäßigen Abständen und unter Ansage eines lauten HAURUCKs in Halbmeter-Schritten Richtung Senkrechte.

Hauruck Burschen - auf geht´s

Aufgrund der Sicherheitsbestimmungen und zum Schutz aller Besucher und Beteiligten wird heutzutage oft ein Kran hinzugezogen, der von oben den Baum notfalls vor dem Fall absichern kann.


Weiss-Blau und spiralförmig, so verlaufen die Farben entlang des Baumstammes, von links unten nach rechts oben und das obere Ende des Baumes wird gekrönt durch einen großen grünen Kranz. Er ist das eigentliche Symbol des Bandes für Fruchtbarkeit.

Brauchtum - aufgepasst: Der Klau geht um

Es ist ja geradezu ein diebischer Spaß und eine Herausforderung, einesteils auf den eigenen Gemeindebaum aufzupassen bzw. den Baum einer anderen Gemeinde zu stibitzen.


Der bayrische Brauch besagt, dass der Baum nur in der "Walpurgisnacht" gestohlen werden darf, also in der Nacht zum 1. Mai. Hier wird also besonders gut Wache geschoben.


Aber: es kann trotzdem passieren, daß die Burschen nicht gut genug auf ihren Gemeindebaum aufpassen, vielleicht einschlafen oder den Wachposten unbedarft für Stunden verlassen. Dann heißt es schon mal: "Sie haben ihn gestohlen!"


Welch ein Affront, dann geht's richtig auf. Aufregung und Spaß bei der Fraktion "Diebe" und Hohn und Spott auf der Looser-Seite :-) Die Verhandlungen können beginnen.

"Der Baum bleibt da!"

Werden die Diebe beim Baumklau erwischt und der Wachposten hat seine Hand rechtzeitig auf dem Baum und ruft, dass der "Baum dableibt", ist dieser dann auch geschützt. Dann ist es vorbei mit der Klauerei, der Baum darf nicht mehr berührt werden.


Aus ist's ! Viel Glück für die noch nicht so geübten Diebe im nächsten Dorf.

Der Spaß beim "Auslösen"

Hat der Diebstahl funktioniert, darf eine abkommandierte Gruppe der beklauten Gemeinde zu den Dieben gehen und sich unter dem Gejohle der Siegreichen dem Aushandeln eines angemessenen Preises für den Maibaum unterziehen.


Gefragt sind hier Essen und Getränke, also... Bier natürlich. Und das nicht zu wenig. Ist der Tausch geschehen, freuen sich die Schlitzohren diebisch über den Handel und das Bier schmeckt nochmal so gut. Unter Pauken und Trompeten tragen die Eroberer dann den ausgelösten Baum zurück ins noch baumlose Dorf.


Na dann Prost

Der Schandbaum

... er ist das Zeugnis von gescheiterten Verhandlungen, also wenn der Maibaum nicht ausgelöst werden konnte. Wahrscheinlich wollten die Beklauten zuviel an Lösegeld oder die andere Seite war vielleicht zu "knickerig", also geizig.


Dann stellen die neuen Besitzer diesen Baum als Schandmal für das Nachbardorf auf und er dient dem eigenen Ort als Segensbringer.


Der entwendete Baum steht natürlich nicht ewig. Das Klau-Dorf hat nur ein paar Wochen Zeit um sich genüsslich das "Maul zu zerreissen" und die andere Gemeinde zu "derblecken", also auszulachen. Als wenn das noch nicht genug wäre, wird am Baum ein Täfelchen mit sichtbaren Worten des unverhohlenen Spottes angenagelt.

Polizeieinsatz beim Klau?

Die Polizei rufen? Ds kann man machen, aber: das geht natürlich gar nicht, es ist absolut verpönt, die Polizei einzuschalten. So ein Maibaum-Klau hat klare Regeln, ist eine gewachsene Tradition sozusagen und die Polizei ist bei eventuellen Ermittlungen entsprechend kulant.


Der überkorrekte Bürger, der die Polizei ruft, verstösst gegen lokale Sitten und riskiert seine Ehre. Nicht auszudenken, ein örtlicher Skandal, der zusätzlich noch für heißen Gesprächsstoff sorgen würde. Und für noch mehr Bierkonsum:-)

Partnervermittlung in weiss-blau

Nicht zu glauben, aber anno dazumal konnten die Junggesellen eines Dorfes am Maiabend die jungen Mädels ersteigern und sich somit eine Ehe innerhalb des Dorfes sichern. Ich hoffe schwer, dass diese Zeremonie eher heiteren Hintergrund hatte:-)


Es ist mancherorts heutzutage auch Brauch, dass die unverheirateten Jünglinge vor den Fenstern der Angebeteten ein Maiherz aufstellen, das ca. 4 Wochen stehen bleibt und hoffentlich mit einer Anerkennung der Dame belohnt wird.


Für ein Dorf bedeutete so ein Baum Wohlstand und gemeinschaftliches Bewusstsein. Je reicher das Dorf war, desto schöner, größer und prachtvoller waren die Wappen- und Zunftschilder. Ein Grund mehr zu klauen. So ein wertvoller Baum einer reichen Gemeinde ließ sich doch gewinnbringend auslösen, oder? Das Bier floss entsprechend in Strömen.


Was braucht man zum perfekten Maibaum-Aufstell-Spektakel?

Vor allem das Bier der lokalen Brauereien, ein g´ scheites, bayrisches Brotzeitenangebot, eine zünftige Blasmusi´, Lederhosen in Aktion und jede Menge Geselligkeit.


Ohne Diesel, äh Bier, läuft keine Maschine :-)

Übrigens steht so ein Maibaum nach ca. 1,5 - 2 Std. Mannesarbeit und wird mit dem finalen Applaus und Böllerschüssen gefeiert. Dann kommt die festliche Kapelle mit Blasmusik zum Einsatz, die Menschen klatschen begeistert und genießen das fröhliche Miteinander. Die Krüge hoch und Applaus an die Vorführungen der Kinder beim Bandl-Tanz oder der Jungburschenschaft beim Schuhplattler.


Der Bandl-Tanz

Passt, er steht

 

Und weil so lustig ist: Geschichten zum Maibaum-Klau

Das glaubt man ja nicht:


der höchste Maibaum der Welt, der Zugspitz-Maibaum wurde 2004 gestohlen. Der Baum war extra ca. 1 m unter dem Schnee versteckt worden. Dass der Baum dann weg war, verschlug den Bestohlenen den Atem.


Man fand keinerlei Spuren im Schnee, keine Schleifspuren, einfach nichts. Die Lösung? Der 20 m hohe Maibaum wurde per Helikopter entführt und dahinter steckte eine lustige Seniorenbande, die als Lösegeldforderung gerne vier Saisonkarten für die Zugspitzregion aushandeln wollten. Tja, sie kannten wohl die festgelegten Regeln nicht - ausgelöst wird mit Brotzeit und Bier - wie üblich. 2010 wurden die Rentner rückfällig :-) Nette Geschichte, gell?


 

Dann der Riesen-Maibaum vom Viktualienmarkt 2017: er war auf einmal weg.

Witzigerweise steckten auch hier Burschen aus dem Landkreis Erding dahinter. Sie waren wohl mit 80 Mann angerückt und klauten lauthals den ca. 4 Tonnen schweren und 34 m langen Baum. Was a Gaudi!


 

Aktuell 2022 aus der diesjährigen Maibaum-Klau-Saison - die Holledau macht von sich reden

Da sollen doch glatt 6 Maibäume auf einmal entwendet worden sein - man spricht von einer "Rekordbeute". Das muss man sich mal geben, 1 Baum ist schon eine Leistung, 2 werden schon mit nickenden Kopf honoriert - aber 6? Passiert ist das in der Holledau, dem Hopfenanbaugebiet.


So ein Maibaumklau muss schon organisiert sein

Glaub ja nicht, dass so ein Maibaumklau keine Arbeit ist. Dazu gehört schon einiges an Planung mit einem eingespielten Team.


6 Bäume heißen auch 6 Auslösen, heißen 6 mal die normale Menge an Bier. Dann muss man auf diese Bäume wiederum aufpassen und sie bewachen vor dem nächsten Klau und die beklauten Dörfer lassen sich bestimmt etwas Nettes einfallen für die Folgejahre :-)


Bei dieser Geschichte musste ich schmunzeln. Vor allem wenn ich mir vorstelle, wie diese Schlitzohren darüber brüten, wie sie wann und wo zuschlagen werden. Man muss Dörfer und Bäume ausspähen und einen möglichst guten Zeitpunkt erwischen.


Dann braucht man die notwendige Mannschaft, um den Baum vom Gelände zu tragen sowie die geeignete Maschinerie, also Bulldog mit Hänger, um die Bäume zu transportieren und das ganze soll noch relativ schweigsam von statten gehen. Unvorstellbar das Gegröle und Gelache.


Und damit noch nicht zu Ende: findige Eigentümer haben ihren Baum aufgehängt unter der Bewachung einer Herde Kühe nebenan. Dies sei wohl kein Hindernis gewesen, denn aufgrund langer Erfahrung wurde auch dieses hängende Problem in aller Stille gelöst. Psssst... nur nicht auffallen. (Gelesen in der TZ, 05.05.2022)


Herrlich, das ist Brauchtum. Niemand kommt zu Schaden, es gibt viel Gaudi, Essen und Bier und die "Stangerl" (anderes Wort für den Maibaum in seiner natürlichen Pracht) kommen immer wieder zurück zu ihren Herrchen.

 
Alles hat seine Regeln, auch das stibitzen

Nichts ist niedergeschrieben und trotzdem muss man sich an den Maibaum-Klau-Knigge halten:

  1. gestohlen wird erst ab 1. April

  2. der Baum darf nicht beschädigt werden

  3. kein Baum aus dem Wald, wenn er dort zum Trocknen liegt

  4. keine Klau-Tour ohne einen eigenen Dorfbaum zuhause

  5. gestohlen gilt der Baum ab passieren der Dorfgrenze, ausser der Besitzer war schneller und hält seine Hand darauf

  6. um Auslöse kümmert sich die Diebesbande

  7. wird der Baum nicht ausgelöst, wird er schwarz angestrichen und als Schandbaum aufgestellt.


So....das war der Ausflug in die Welt des Maibaums und ich verabschiede

mich hier vom 1. Mai Brauchtum und sage: "Schee war's in Erding".


Das Wetter war ein bisschen "fresh" aber einen "echten Trachtler graust´s ja vor gar nix". Tracht muss bei so einem Event übrigens schon sein, no matter what. Aber dazu mehr in einem separaten Blogpost, bald in diesem Theater.


Altenerding, Maibaum 2022


Servus sagt Euch Trixi, von Bulli-Proof

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